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Die Wende der Wende und ein Wahnsinns-Happy-End für die Affenbande

So eine Partie haben die Freiburger Volleyballfans in der Bundesliga bislang noch nicht erlebt: Gegen den Champions-League-Teilnehmer und Vorjahresdritten Helios Grizzlys Giesen erarbeiteten sich die Spieler der FT 1844 Freiburg am Freitagabend vor ausverkaufter Act-Now-Halle eine 2:0-Satzführung. Dann kamen die Niedersachsen mit einem breit aufgestellten Kader eindrucksvoll zurück und schienen im Tiebreak bereits dem Sieg nahe. Doch mit einer wahren Energieleistung schaffte die Affenbande noch einmal die Wende und nutzte in einem elektrisierenden Finale ihren achten Matchball zu einem 3:2-Heimerfolg (25:20, 25:23, 20:25, 17:25, 20:18) – dem ersten Sieg gegen eine Mannschaft der Top Sechs in der Bundesliga.

Das Spiel begann auf beiden Seiten mit zwei kleinen Überraschungen: Bei der Affenbande erhielt nach guten Trainingseinheiten Jonathan Schönhagen auf der Libero-Position eine Chance, bei den Niedersachsen übernahm zunächst Jan Röling das Zuspiel. Das Spiel begann ausgeglichen, ehe ein Fehlschlag des Giesener Außenangreifers Jori Mantha den Gastgebern die erste Drei-Punkte-Führung der Partie ermöglichte (14:11), Yannick Harms legte mit einem geschickten Power-Tipp an die Hände des Giesener Blocks zum 15:11 nach. Mark Rura, erst 18-jähriger Diagonalangreifer der Grizzlys, verkürzte auf 15:14, doch dann nahm die Mitte bei der FT 1844 richtig Fahrt auf: Charlie Figy blockte erst Jakob Günthör und dann Rura – 19:14. Giesen konnte nur noch einmal durch einen Mantha-Aufschlag auf zwei Punkte herankommen, und bei 22:20 kam die Zeit von Kevin Kobrine: Erst verwertete die Freiburger Diagonalkraft einen Angriff im zweiten Anlauf zum 23:20, dann provozierte der US-Amerikaner mit Hammer-Service einen Giesener Danke-Ball, den Anton Jung mit mächtigem Hieb vollendete. Beim Matchball packte Liam Kristjanson im Block gegen Rura zu. Die Freiburger Mittelangreifer lieferten eindrucksvoll ab.

Den Schwung aus dem Satzgewinn nahmen die Freiburg in den zweiten Durchgang mit. Die Grizzlys wirkten beeindruckt, ihr Angriffsdruck ließ nach. Bei einem 5:11-Rückstand für Giesen wechselte dessen Trainer Itamar Stein dreimal: John Hatch für Champlin im Außenangriff, Nicholas Slight für Röling im Zuspiel und Hauke Wagner für Rura im Diagonalangriff. Mit Wirkung: Giesen verkürzte den Rückstand auf 10:13. Die Niedersachsen witterten wieder Morgenluft, doch die FT stabilisierte ihr Spiel, nun auch wieder mit Timothy McIntosh als Libero. 20:15 führten die Freiburger bereits, doch es wurde noch mal spannend: Champlin brachte die Gäste auf zwei Punkte heran (20:22), Harms aber holte dann den ersten Satzball im zweiten Durchgang heraus – 24:21. Nachdem Jung die Annahme eines Slight-Aufschlags versäbelt hatte und der Vorsprung auf einen Punkt geschmolzen war, übernahm Figy: Erst pritschte er selbst in der Annahme, dann erwischte er nach Zwei-Meter-Schuss-Zauberpass von Fabian Hosch den Giesener Block zum 25:23.

Der Außenseiter führte mit 2:0-Sätzen. Sollte Giesen noch einmal zurückkommen? Die klare Antwort: ja. Die Niedersachsen hängten sich nun verstärkt in der Abwehr rein, der Portugiese Miguel Sinfronio kam im Mittelblock und setzte hier gegen die bis dahin dominierenden Freiburger Akzente. Bis zum 14:14 blieb die Partie mit vielen starken Rettungstaten in der Feldabwehr ausgeglichen, dann gelang Giesen die entscheidende Punkteserie, auch weil Hauke Wagner ein paar wichtige Bälle aus dem Hinterfeld versenkte. Giesen schaltete in den Warrior-Modus: Röling wurde durch einen Schmetterball von Kristjanson im Gesicht getroffen, spielte dann mit Wattepad im Nasenloch weiter. Dem für Kobrine gekommenen Marco Frohberg gelangen zwar durch Block, Angriff und Service-Ass noch mal drei Punkte, die Grizzlys ließen sich die Sache aber nicht mehr nehmen und verkürzten nach Sätzen auf 1:2 (25:20).

Damit war der Vorjahresdritte im Spiel: Mantha erhöhte im Außenangriff weiter sein Punktekonto, abwehrstarke Grizzlys gestatteten den Freiburgern keine leichten Punkte mehr. Kobrine ließ die Halle mit einem Ass zum 9:10-Anschluss noch mal beben, dann aber erzürnten zwei Schiedsrichter-Entscheidungen Trainer Jakob Schönhagen. Erst pfiff der Referee Doppelfehler, obwohl die Freiburger einen Netzfehler von Giesen in der Challenge erkannt hatten. Dann blieb ein vermeintlicher technischer Fehler der Gäste ungeahndet. Es stand 17:13 für Giesen, das diesen Vorsprung souverän zum Satzausgleich nutzte.

Der Tiebreak musste entscheiden. Und hier setzten sich die Giesener schnell auf 7:2 ab. Giesen war an fast jedem Ball dran, die Mienen von Mantha und Co. wirkten entspannt, auch als Freiburg auf 5:7 herankam. Mantha behielt scheinbar alles im Griff beim 9:5, doch dann holte die Affenbande bei 6:10 noch einmal tief Luft - und blies beim 9:11 zum finalen Endspurt: Zweimal blockte Kobrine den Giesener Champlin, Anton Jung fand im Angriff das hintere Eck des Giesener Feldes, Freiburg hatte die Partie zum 13:11 gedreht. Beim 14:13 schien ein gelegter Ball von Kobrine bereits den Matchgewinn besiegelt zu haben, doch die Challenge war für Giesen erfolgreich, da Kobrine den Ball zuletzt berührt hatte. Insgesamt viermal blickte das Publikum in dieser Phase gebannt auf die Leinwand, um Challenge-Entscheidungen nachvollziehen zu können. Dreimal waren die Überprüfungen der Teams dabei erfolgreich. Giesen blieb hartnäckig, doch Freiburg erarbeitete sich weitere Matchbälle, auch weil eine FT-Challenge Mantha des Übertritts überführte. Bis zum 20:19 konnte Giesen stets aus der Annahme antworten, dann blockte Jung den Hinterfeld-Angriff von Wagner – und musste einen Augenblick später das Gewicht seines Trainers schultern. Schönhagen war seinem Außenangreifer voller Freude in die Arme gesprungen.

Ein denkwürdiges Spiel fand in der FT 1844 Freiburg einen glücklichen Sieger. 1500 Zuschauer applaudierten auch den Akteuren aus Giesen, die nach einem 0:2-Satzrückstand stark zurückgekommen waren. Als MVP des Abends wurde der Freiburger Charles Figy geehrt, der auf einen für einen Mittelangreifer beachtlichen Wert von 15 Punkten kam. Bei der FT punktete nur Kobrine häufiger (21). Bei den Gästen waren Jori Mantha (23) und Hauke Wagner (18) die punktbesten Akteure.

Das Statement von Trainer Jakob Schönhagen: „Das war ein toller Abend und ein ganz wichtiger Entwicklungsschritt für die Spieler, für den Verein und die Organisation. Aber es ist eben nur ein Schritt. Wir müssen nun gegen den VC Olympia mit dem gleichen Elan zu Werke gehen. Ich bin überzeugt: Wenn wir nicht an die Kante gehen, verlieren wir in der Bundesliga gegen jedes Team. Heute war’s ein Auf und Ab. Giesen war ein wenig beeindruckt, wie wir in den ersten beiden Sätzen aufgetreten sind. Dann hat Giesen aufgedreht und seine extreme Ballsicherheit ausgespielt. Dass man im Tiebreak nach einem 2:7- und 6:10-Rückstand noch mal zurückkommt, passiert nicht oft in der Bundesliga.“

Bereits an diesem Samstag, 2. November, geht es in der Act-Now-Halle für die Affenbande weiter gegen den VC Olympia Berlin. Die Nachwuchstruppe aus der Hauptstadt geht als Underdog ins Spiel, hat aber mit Satzgewinnen gegen den ASV Dachau und VC Bitterfeld-Wolfen in dieser Saison bereits gezeigt, dass sie nicht zu unterschätzen ist. Bei der FT 1844 bleibt abzuwarten, wie groß der Kräfteverschleiß nach dem Kraftakt gegen Giesen sein wird.

(Foto: Achim Keller)

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